Junge Musiker wie Maik Krahl, 31 und Trompeter, muss man in Deutschland mit der Lupe suchen. Und wer ihn findet, der stellt verblüfft fest, dass nur ganz wenige deutsche Nachwuchs-Jazzer derzeit origineller, ausgebuffter und facettenreicher klingen. Krahl braucht keine populären Showeffekte, um sein Publikum aus der Reserve zu locken, sondern einzig und allein seine instrumentale Virtuosität und bunt schillernden Kompositionen. Denn er befindet sich im In-Between Flow.
Was Wunder, wenn einer während seines Studiums in Dresden und Essen von solch hochkarätigen Lehrern wie Till Brönner und Ryan Carniaux unterrichtet wurde. Dennoch kopiert Krahl keines seiner Vorbilder, sondern hat erstaunlicherweise längst einen unverkennbaren Ton und eine klar identifizierbare eigene Handschrift entwickelt. Die Entscheidungsangst, die der Trompeter noch 2018 in seinem Debütalbum Decidophobia mutig thematisierte, ist längst passé. Inzwischen trifft er viele richtige Entscheidungen, wie zum Beispiel die für Fraction, die 2020 erschienene Weiterentwicklung seiner kühnen Visionen. Gemeinhin aber nur eine weitere aufregende Zwischenstation auf dem Weg hin zu neuen unentdeckten Welten der Musik.
Der jetzt erscheinende dritte Karriereschritt von Maik Krahl trägt eben jenen kryptischen Titel In-Between Flow, was man in etwa mit „Zwischenströmung“ übersetzen könnte. Damit bezieht er sich auf die pausenlos fortschreitende Entwicklung des Menschen. Wie in der Natur kann sich dessen Geist ausdehnen, entfalten und zu einem neuen Zustand heranreifen. Dort lässt er sich für eine Weile nieder, bis neue Impulse einen weiteren Übergang einleiten. Dieser kann schmerzhaft, anstrengend, energieaufwändig oder langwierig sein, aber auch durchaus interessant und spannend. „Man lernt viel über sich und die Welt und kann dabei in einen Flow geraten“, erklärt Krahl. Solche Zwischenströmungen, manchmal subtiler, manchmal abrupter Art, sowie die Zeiten der Zufriedenheit und Gelassenheit, inspirierten den jungen Gipfelstürmer zu acht fesselnden Kompositionen für dieses Album.
Pianist Constantin Krahmer, Bassist Jakob Kühnemann und Drummer Fabian Rösch sowie als Gast in Slosetta, No Claim Claim und Ms Ludgate der famose Gitarrist Kurt Rosenwinkel bilden das perfekte Vehikel für Krahls melodische und motivische Geschichten, die von solch simpler Klarheit und Prägnanz sind, dass deren komplizierte Strukturen darunter kaum jemandem auffallen. Krahl liebt es, seine mal sanfte, mal vor Energie berstende Trompete in einen modernen, nie beliebigen Groove zu betten. Er lädt die Hörerschaft auf fein konstruierte, gehauchte, fast singende Gefühls-Achterbahnfahrten ein, bei denen Trauer, Freude, Einsamkeit, Warten, Zaudern, Zweifeln und neuen Mut schöpfen direkt nebeneinander liegen.
Maik Krahl und seine Gefährten erteilen eine unauffällige, aber nachhaltige Lektion darin, wie man den sich ständig verändernden Fluss von einem Zustand zum anderen akzeptieren kann. Was so viel bedeutet wie: Dabei wachsen, lernen und sich einfach im nächsten Zustand entwickeln, bis der Prozess aufs Neue beginnt. Dazwischen weiterfließen. In-Between Flow.
Line-Up Maik Krahl – Trompete Constantin Krahmer – Piano Jakob Kühnemann – Bass Alex Parzhuber – Schlagzeug